Landschaft Rolandsbogen

Landschaft Rolandsbogen
Landschaft am Rolandsbogen mit Blick auf den Drachenfels (c) Eva Wal

Mittwoch, 1. Dezember 2010

"Die vollendete Speculation..."

Die vollendete Speculation...

Heute war noch niemand in mir. Aber ich kann es niemandem verdenken: Die Blätter sind schon von meinen Bäumen abgefallen. Die Bänke sind nass. Wer es sich noch nicht gedacht oder gewusst hat, ich bin der Park, der die ,,geheime Gärten” heißt, und bin schon seit mehreren Jahren als Garten ungepflegt. Aber dann, am Nachmittag, kam eine sehr kleine Schulklasse, die sich auf die Suche nach meinem versteckten Satz machte. Sie liefen über meine Wege, die jetzt im Herbst voller Matsch sind. Ich habe viele Schüler lachen gehört. Im Allgemeinen war es sehr lustig. Ich musste mir immer eine Hand vor den Mund halten, denn sonst hätte ich sie sofort zum Satz geführt. Die ersten fünf Schüler kamen von alleine nicht darauf. Also musste ich ein wenig nachhelfen. Ein paar haben sogar geglaubt, die Buchstaben, die seltsamerweise auf meine Bänke gelangt sind, seien der Weg zu ihrem Ziel, meinem etwas wundersamen und langen Satz. Am Ende haben sie sich alle um meinen Mittelpunkt, die riesige Säule mit dem letzten Wort gesammelt. Dann sind sie zu den Überresten der alten Villa gewandert. Nun haben sie doch noch den richtigen und langen Spruch gefunden: ,,Die vollendete Spekulation...”, zumindest habe ich hier den ersten Teil.

Johanna Rüllich


Die vollendete Speculation...

Sobald sie durch den wie ein kleines Kunstwerk gestalteten Eingang trat, wurde sie von verwildertem Grün empfangen. Wo sie hinblickte rankte Efeu, Sträucher wanden sich zwischen Bäumen und versuchten ihren Platz zu finden. Es erinnerte sie fast zu sehr an die Realität, der sie gerade entronnen war.
Trotzdem überkam sie ein Gefühl des Glücks. Schon immer wollte sie sich frei fühlen, und hier, wo nichts eine Ordnung hatte, wo keiner irgendwem etwas recht machen musste, wollte sie nicht fortfliegen, sondern verweilen.
Ein Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht und ihre Augen, die noch nie richtig gefunkelt hatten, strahlten nun wie die Sonne selbst.
Vereinzelte Tropfen fanden ihren Weg durch das dichte Blätterdach und erzeugten ein stets gleich bleibendes Geräusch. Fast wie der Rhythmus einer Melodie, die sie bestimmt gesungen hätte, wäre sie nicht so beschäftigt damit gewesen, das Lächeln auszukosten,
das ihr noch allzu unbekannt war.
Denn vielleicht war alles perfekt, vielleicht war sie aber auch nur vollendete Spekulation.

Karolin Lauck


Die vollendete Speculation...

„Cheese!“, riefen alle gleichzeitig und setzten ihr schönstes Lächeln auf. Das Wetter war ekelig, es war kalt und nass, doch die Stimmung scheint ihren Höhepunkt gewonnen zu haben, als sich der Ausblick vom Rolandsbogen über das Siebengebirge und den Rhein aufmacht. Auf der anderen Seite sieht man die Spitzen der Berge des Siebengebirges, die sich in dem Nebel und den Wolken zu verstecken versuchen, die um diese Jahreszeit tiefer hängen als sonst, um wie es scheint das Land erdrücken zu wollen.
Der Wind bläst mir ins Gesicht und lässt meinen Körper schaudern. Ich drehe mich um und sehe meine Freundinnen und nette SchülerInnen, mit denen ich auch noch drei lange Tage verbringen werde. Es breitete sich ein Glücksgefühl in mir aus und nochmals erfreue ich mich, dass ich das Glück habe, an diesem Projekt teilzunehmen zu dürfen. Das war meine vollendete Spekulation.

Urte Alexandra Schröder


Die vollendete Speculation...

Baum.
Alt, weise, groß, gut.
Kennen wir ihn?
Immer steht er da. Ruhig. Gelassen. Er biegt sich; er sträubt sich. Er ist einsam, verlassen, deprimiert. Kitschig.
Wir hingegen lachen. Es will tief aus uns heraus. Der Mund, der sich öffnet und ein individuelles Geräusch des Glückes formt. Eine Schöpfung. Die Schöpfung des einzigartigen Gefühls, dem keine Grenzen gesetzt sind.
Das Signal für die Anderen: Ich habe Spaß.
Doch, der Baum spricht jetzt: „Spaß? Wer lacht nur, wenn er Spaß hat?“
Weise, weise...
„Ich bin am Ende.“, sagt der Baum. „Übermüdet, so, als hätte ich ein Leben lang gearbeitet. Meine Glieder fühlen sich schwer an, ganz schwer.“
Wir antworten, dass wir auch erschöpft sind, vom Lachen.
„Vielleicht seid ihr ich.“, sagt der Baum. Er ist sehr müde. Aber wieso nicht? Ist er? Ich bin. Ich Er. Ist er ich? Bin ich er? Was bedeutet das alles? Nichts ist vollendet! Nichts ist vollkommen! Was will also die vollendete Speculation?

Marie Groenewald


Die vollendete Speculation...

Feuchtes Laub raschelt unter achtundzwanzig Schuhen. Matsch schmatzt. Die Zeitreise-Gruppe schliddert und rutscht einen schluchtähnlichen Waldweg herab. Er erinnert an eine aufgeschnittene Röhrenrutsche. Der Rolandsbogen ragt im Rücken der Gruppe über den Wald hinaus – und mit ihm das warme Restaurant. Nächstes Ziel der Wanderung: Die geheimen Gärten.
„Wenn Schnee liegt, kommen wir mit unseren Schlitten hierher.“, flüstert ein Mädchen seiner Freundin zu. (zuflüstern gibt es, jemandem „zumurmeln“ gibt es nicht) Aneinander gekrallt trippeln sie vorsichtig den rutschigen Hang hinab – und schlittern plötzlich schreiend in ein paar andere Mädchen hinein. Das Mädchen, das eben gesprochen hat, sieht sich um und zückt kurz entschlossen den Fotoapparat.
Er ist schön, dieser Wald auf dem Rodderberg. Die Atmosphäre ist ruhig, fast ein bisschen geheimnisvoll. Die Blätter leuchten rot-orange. Wie Feuer. Wie ein Sonnenuntergang. Es riecht gut: Nach Erde, nach Sonne, nach feuchtem Laub. Die winterliche Kälte umhüllt Nasenspitzen, Ohren und Finger. Sie kriecht in Hosen und Schuhe. Sie färbt Wangen, Nasen und Lippen rot.
Das Mädchen stellt sich in Position, zoomt das Motiv heran, bis es scharf ist und drückt auf den Auslöser. Gespannt schaut sie auf den Bildschirm – und wird enttäuscht. Klar, das Bild ähnelt der Aussicht, aber ohne ein Objektiv vor dem Gesicht sieht alles doch anders aus. Eindrucksvoller. Ausdrucksvoller.
Aber das beweist mal wieder:
ZUR NATUR ZURÜCK FÜHRT DIE VOLLENDETE SPEKULATION.

Henriette Fischer


Die vollendete Speculation...

Langsam aber sicher läuft sie den Weg zum Rolandsbogen hoch. Der Matsch schmatzt unter ihren Füßen. Es ist kalt, und ihre Füße sind nass. Es regnet leicht. Regentropfen berühren ihr Gesicht.
Auf dem Weg nach oben begegnen ihr zwei freundliche Bauarbeiter, die sie durchlassen.
„Nur noch ein paar Schritte, dann bin ich oben“, denkt sie.
Fast oben angekommen geht sie an einem Restaurant vorbei, aus dem ihr warme Luft entgegenkommt. Oben angekommen schaut sie sich den Rolandsbogen an und macht ein paar Fotos. Sie geht weiter und kommt zu einem Gerüst, von dem aus sie den Hang herunter gucken kann. Es ist hoch, windig und man kann die ganze Landschaft betrachten. Es ist grün, die Glocken läuten und Vögel zwitschern. Noch einmal holt sie ihren Fotoapparat aus der Tasche und knipst ein paar Fotos. Sie setzt sich auf einen Stuhl und schaut sich das Bild an. Sie überlegt. Sie überlegt, wo die Geräusche auf einmal sind. Die Atmosphäre hat sich vollständig verändert. Sie versucht mit ein paar Knöpfen auf dem Fotoapparat das Bild besser zu gestalten. Doch es gelingt ihr nicht, die Täuschung als wahr zu zeigen. Das perfekte Bild ist eine Illusion, eine vollendete Spekulation.

Hosna Hakim